Design: Alles läuft rund

Das Design der Zukunft will sich rund. Die Möbel werden zu Kugeln und Rollen, die weise Kreise bilden und dem Ego schmeicheln.

Kein Stuhl, kein Regal, kein Lavabo wird den Rundungen entgehen. Das gibt ein angenehm entspanntes Lebensgefühl. Schliesslich gelten Menschen mit feschen Backen als gemütlichere Typen denn die gestressten Dünnen. Ohne die Sinnlichkeit von Kreisen und Bögen, wären unsere zukünftigen Wohnzimmer in Massivholz, Stein und Stahl viel zu kalt oder zu rustikal. „Die Kurven braucht es für mehr Lifeness“, sagt Joseph Vidich , einer der aufsteigenden Designer in den USA, der zusammen mit seiner Kusine Kira de Paola den wie Monde baumelnden Metallplatten petrolblau schimmernde Wolken eingebrannt hat.

Kaum ein Möbel wird einer Rundung entgehen. Mit Spiegeln, Lampen, Teppichen und ganzen Polstergruppen werden weise Kreise angelegt. Das haben die internationalen Designertage und die Möbelmesse M&O  von Paris letzte Woche bewiesen: Kein Spiegel wird mehr rechteckig sein, sondern rund oder mit einem Bogen ergänzt. Diese Kurven zieren einseitig die Regale aus massivem Holz. Als praktische Abstellfläche für Schlüssel oder Handy werden sich auch kleine, runde Marmorplatten eignen, die im Schraubstockprinzip in den Wänden stecken. Diese praktische Idee des italienischen Labels Magis wirkt zwar etwas plump. Die Spitze der Recherche nach Schlichtheit, Sinnlichkeit und Funktionalität erreicht Felicia Arvid Jaeger aus Dänemark mit ihren Sofas, die aus einzelnen Rollen bestehen. Das für verschiedene Tätigkeiten angepasste Tischchen wird einfach zwischen die Rollen gesteckt, die beliebig umgeordnet werden können. Einmal von allen Lehnen befreit, wandelt sich dieses Sofa zum Ruhebett, dessen horizontale Rollen den Körper sofort entspannen.

Kein Wunder werden die Pilates-Kugeln zu Sesseln und Dekor. Der gute alte Lehnsessel, indem man tief versinkt, ist auch zurück, wenn möglich rund und in Samt. PH Collection gestaltet in Belgien ganze Polstergruppen und Wohnlandschaften in Kreisen und Bögen, rund um einen runden Kaffeetisch herum. Das wirkt wie eine dieser über Nacht in die Kornfelder gedroschenen Geometrien, die unerklärlich bleiben. Der als riesiger Kreis gestaltete Kronleuchter des Franzosen Reda Amalou gibt einer solchen Sitzgruppe Theatralik. Die Teppiche werden zu salomonischen Kreisen im Stil von Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“. Es geht also nicht nur um Entspannung, sondern um den Ruf nach strukturiertem Denken, nach Weisheit.

Doch wir besitzen gegenwärtig auch ein starkes Ego, das sich in grossen, glänzenden Stahlkugeln der Lampen spiegelt und uns mit uns selbst auseinander setzt.  Vor dem Schlafengehen wird uns das schicke runde Lavabo eines Mikal Harssen aus schneeweissem Marmor mit uns ins Reine bringen. Die Nachtische werden in farbigem Lack und bauchigen Formen glänzen.  Vasen und Aschenbecher aber auch Taucherflaschen ähneln, was befremdet, jedoch in die Tiefe der Meere, in uns selbst führt. Keine Bange. Um Schwindel zu vermeiden, bleibt das Bett viereckig sowie auch der elementare Esstisch, der als riesiges Rechteck zwischen dem glatten, wuchtigen Küchenblock und der Wohnlandschaft in Wogen für Ordnung sorgt.

Bild: Sofa von Felicia Arvid Jaeger zvg