LUXUS ANSTATT TURNSCHUHE

Der französische Konzern Kering trennt sich von Puma, um ein reiner Luxusplayer zu sein, denn seine Nobelmarken Saint Laurent, Gucci und Balenciaga sind heute begehrter denn je.

Mit seinem verspielten Mustermix am gleichen Look hat Chefdesigner Alessandro Michele Gucci in ein neues Zeitalter befördert

Die einst in der Bretagne mit einem Möbelunternehmen begonnene Saga der Familie Pinault gipfelt heute in einem sagenhaften Triumpf: Mit einem Umsatz von 15,5 Milliarden Euros (2017) figuriert sie nun unter den weltweit grössten Luxusgüterkonzernen. Dabei hat vor zehn Jahren der Anteil des Luxus des damals noch PPR (Pinault-Printemps-Redoute) genannten Unternehmens nur 17 Prozent ausgemacht. Heute sind es 71 % des Gesamtumsatzes vor allem dank Kerings legendärer Modemarken Gucci, Saint Laurent und Balenciaga. Das Wachstum der noch im Konzern gehaltenen Sport- und Lifestylelabels ist hingegen weit bescheidener ausgefallen. Deshalb trennt sich Konzernleiter François-Henri Pinault nun von Puma und verteilt die Mehrheit der Aktien des deutschen Turnschuhproduzenten an die Kering-Aktionäre.

Denn der Erfolg im Luxussegment ist phänomenal:  Dank genialen Chefdesignern ist Guccis Umsatz um mehr als vierzig Prozent auf 6,2 Milliarden gestiegen, und Saint Laurent sitzt ebenfalls wieder fest im Sattel. Die Millennium-Generation steht zudem sehr auf Balenciaga, das 100jährige Nobellabel mit dem unverkennbaren architektonischen Stil, in den der erfolgreiche Chefdesigner Demna Gvasalia nun Streetwear einfliessen lässt.  Klar haben die markenübergreifenden, neu eingeführten Produktionsabläufe, die Umstellung auf eine nachhaltige Fabrikation und der Glamour von Pinaults Ehefrau, der mexikanische Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin Salma Hayek, viel zum modernen Image des Konzerns beigetragen, der weltweit 44 000 Mitarbeiter, darunter 60% Frauen beschäftigt. Diese zu fördern steht für Pinault dank Hayek im Vordergrund: „Meine Frau hat mich sehr beeinflusst, was die feministische Problematik betrifft“, betont der 56jährige Konzernleiter, Vater von drei Kindern, davon zwei aus erster Ehe. Salma Hayek (51), die den Sohn des Firmengründers François Pinault in Venedig kennengelernt und 2009 geheiratet hat, setzt sich als Aufsichtsratsmitglied der Fondation Kering international für die Frauenrechte ein.

Dass die Pinaults heute in der Highfashion die Nase vorne haben, ist jedoch vor allem ihren Chefdesignern zu verdanken, die am richtigen Ort eingestellt worden sind:  „Um das Ziel eines modernen Luxus zu erreichen, der auf einem kreativen Risiko basiert, vertrauen wir die Universen der Marken einzigartigen Talenten in totaler Freiheit an“, erklärt der stets krawattenlose Konzernleiter. Als sein Vater, der eingefleischte Kunstsammler François Pinault Ende der 1990er Jahre Yves Saint Laurent und Gucci kaufte, gelangen ihm zwei goldene Schachzüge auf einen Streich: Gucci steckte damals voll in der von Tom Ford mit heissem Sexappeal entfachten Erfolgsepoche, und der wenige Jahre später verstorbene Yves Saint Laurent war einer der einflussreichsten und bekanntesten Couturiers aller Zeiten. Damals amtete der eklatante Amerikaner Tom Ford gleichzeitig als Chefdesigner beider Marken. Zwar hatte er dem Florentiner Label neuen Glanz eingebracht. Saint Laurents reiches Erbe ging er hingegen zu zaghaft an. Nach Fords Ausstieg stellte Sohn François-Henri Pinault jedoch 2012 mit Hedi Slimane einen der weltweit besten Chefdesigner an, der erst noch Yves Saint Laurent persönlich gekannt und geschätzt hatte. Mit seiner rockigen Allüre hat Slimane das Seventy-Label neu etabliert. Plötzlich wollten sich wieder alle, die es sich leisten konnten, ein Stück Saint Laurent erhaschen.

Gleichzeitig floppte jedoch Gucci ohne Ford bis Pinault vor zwei Jahren dem langjährigen Studio-Mitarbeiter Alessandro Michele die Regie übergeben hat, der einen radikalen Imagewechsel vollzieht und Fords vulgäre Sexiness verbannt. Das Konzept des Römers eines fröhlichen Spiels mit allen erdenklichen Mustern und Farben am gleichen Look haben dem 46jährigen die Ernennung zum weltweit besten Designer des Jahres 2016 eingebracht. Und Gucci Umsatz stieg spektakulär um fast fünfzig Prozent.

Bei Saint Laurent hingegen findet seit zwei Jahren das Gegenteil statt: Dort entwirft Slimanes Nachfolger, der 36jährige Anthony Vaccarello, extrem erotische Kollektionen. Seine Werbekampagne mit einem Rollergirl, das freizügig den Slip zeigt, machte Skandal, doch sein Rezept mit unendlich langen Beinen unter Superminikleidern, die wie ein Schild wirken, das die Nacktheit schützt, geht auf: 2017 ist Saint Laurents Umsatz nochmals um zwanzig Prozent auf 1,5 Milliarden gestiegen.  Dabei hatte Pinaults Erzkonkurrent, LVMH-Konzernleiter Bernard Arnault mit „Die Redoute steigt in den Luxus ein!“ gewitzelt als ihm ersterer 1999 Gucci unter der Nase weggeschnappt hatte. Denn damals gehörte kein Luxus zum PPR-Konzern, sondern vor allem das Versandhaus La Redoute, das Warenhaus Le Printemps und die riesigen Buchhandlungen und Schallplattengeschäfte FNAC. Von allen dreien hat sich der Konzern jedoch inzwischen getrennt

Von Kopf bis Fuss vegan

In der Ernährung ist der Veganismus längst ein Trend. Jetzt schwappt dieses Bewusstsein auf die Bekleidung über.

Maud und Judith Pouzin in ihrer Veganmodeboutique in Paris

Im elften Stadtviertel von Paris, ganz nahe der Bastille, gibt es eine rein vegane Käserei, eine entsprechende Konditorei und, seit einem Monat, eine vegane Modeboutique: „ManifesteO11“, ein kühler, puristischer Laden, haben die beiden Zwillinge Maud und Judith Pouzin gegründet, weil die beiden schwarzhaarigen Veganerinnen den herkömmlichen Fashionkommerz satt hatten. Als Fastfashion bezeichnet man heute, die kurzlebigen, oft billigen Kleidungsstücke der grossen Vertriebe wie H&M, wo sich einst auch die beiden Verfechterinnen der neuen Mode eingekleidet haben. „Denn die Mode lieben wir seit je her. Als wir uns aber anders kleiden wollten, fanden wir nicht, was wir suchten“, erzählt Maud, eine Schnellsprecherin, die bis anhin in der Kommunikation gearbeitet hat. Fast politisch, sei ihr Vorgehen, das sich gegen die Tierhaltung und –ausbeutung der Nahrungsindustrie wehre, von der auch die Bekleidungsindustrie betroffen sei. Klar findet man deshalb in ihrer Veganboutique weder Leder noch Pelz, sondern vegane Taschen aus recycelten Velopneus oder schneeweisse Schuhe aus Ananasfasern.

Den Veganern geht es aber ganz allgemein um eine nachhaltige Mode, die sich langsam durchsetzt. Denn die Modeindustrie ist weltweit, nach der Erdölindustrie, der zweigrösste Umweltverschmutzer. Vor allem weil der Baumwollanbau Unmengen an Wasser und Pestiziden verschlingt. Deshalb sind alle Stoffe bei „ManifestO11“ entweder biologisch oder aus recyceltem Material: Elastische, halbdurchsichtigte Bio-Strumpfhosen mit Eukalyptusfasern (Tencer) oder schlammgrüne Handtaschen aus recycelten Plastikflaschen. Zu dieser Moderevolution zählt zudem das Up-Cycling, das aus alten Kleidern neue schafft wie es das Berliner Label „Fade Out“ macht. Aus alten Jeans werden neue Klamotten als Einzelstücke genäht oder ausgediente Berufsbekleidung zu hipper Workingwear verwandelt. „Wir wollen beweisen, dass die Veganmode kreativ sein kann“, meint Maud während einer Tasse Kaffee in ihrer Boutique, deren Beleuchtung mit erneuerbaren Energien gespeist und nachts gelöscht wird.

Alle Sachen sind für sie und ihn. In Kürze wird auch die nachhaltige Unisexmode des Zürcher Labels „Mamquam“ ManifestO11-Sortiment sein. Man findet bereits jetzt wahre Designerstücke wie der flauschige Organic-Cotton-Mantel mit Leinen und Eukalyptus der Britin Martine Jarlgaard (1200 Euros) oder simple T-Shirts aus portugiesischer Bio-Baumwolle  (30 Euros) der Marke „Colorful Standard“. Doch kann man wirklich auf Leder verzichten?  Das für Schuhe und Hosen eingesetzte Polyurethan als Alternative ist fragwürdig. Die dazu verwendeten Salze und Ester der Carbamidsäuren können sehr giftig sein. Doch auch diesen Aspekt, verspricht Maud, umgehend unter die Lupe zu nehmen.

Boutique ManifestO11, 14 Rue Jean-Macé, 75011 Paris