Wohin mit der unverkauften Kosmetik?

Bodylotions, Lippenstifte oder Parfums: Jährlich landen Millionen unverkaufter Hygiene- und Kosmetikartikel im Müll. Die meisten werden verbrannt.

Letztes Jahr machte das edle britische Modehaus Burberry Skandal, weil es 2017 Luxusgüter im Werte von 31 Millionen Euros verbrannt hatte. Da lagen nicht nur nagelneue Trenchcoats in Asche, sondern auch teure Parfums. Frankreich hat nachgezählt: Dort machen die Hygiene- und Schönheitsprodukte jährlich mehr als einen Viertel aller zerstörten, unverkauften Güter aus, wenn man vom Lebensmittelbereiches absieht. Das sind elektrische und elektronische Geräte, Textilien, Schuhe oder Bücher im Wert von insgesamt 630 Millionen Euros.

Dass riesige Berge unverkaufter Kleider auf dem Müll landen, anstatt verteilt, verschenkt, wiederverwendet oder recycelt zu werden, ist seit längerem bekannt. Was die Haushaltgeräte und die Elektronik betrifft, funktioniert die Wiederaufbereitung und gewissenhafte Entsorgung vor allem dann, wenn diese ausgedient haben. Doch das ist nur ein Ansatz der zukünftigen Kreislaufwirtschaft: Sie muss auch die Umverteilung unverkaufter Waren in den Griff bekommen. Frankreich will sich darin profilieren und legt nun „als Weltleader gegen die Verschwendung“ ein Anti-Verschwendungs-Gesetzes vor, das die Vernichtung sämtlicher unverkaufter Waren bis spätestens 2023 verbietet. „Eine unserer Umfragen hat ergeben, dass sich drei Millionen Franzosen grundsätzliche Hygieneprodukte nicht leisten können“, beobachtet Dominque Besançon in Paris. Seit 15 Jahren verteilt die Generalbeauftragte dort in der NGO Dons Solidaires unverkaufte Waren an sozial Benachteiligte. Auf diese Weise kamen 2018 Wohn- und Kinderheime, soziale Läden oder Tagesauffangstellen in den Genuss unverkaufter Sachgüter im Wert von 35 Millionen Euros. Eine solche Drehscheibe existiert auch in Deutschland oder Singapur, fehlt aber in vielen anderen europäischen Ländern. Dabei wäre es relativ einfach, die bei einem sogenannten Relaunching oder Saisonwechsel aus dem Verkehr gezogenen Seifen, Sonnencremes oder Zahnbürsten an Vereinigungen weiterzuleiten. Doch um die Abfallberge zu vermeiden, braucht es auch ein grundsätzliches Umdenken der ganzen Warenkette, von der Planung seitens der Hersteller bis zum Verhalten der Kunden.

Luxusgüter werden nicht verramscht

Denn seien wir ehrlich, die trendig grün beschrifteten Shampooflaschen gefallen uns besser als das frühere Modell. Wollen wir nicht ständig alle Farbtöne der Lippenstifte im Laden zur Auswahl präsentiert haben? Stört es uns nicht, wenn wir unser teures Lieblingsparfum auf der Auslage eines Strassenhändlers entdecken? Das war Burberrys Argument für die Zerstörung der Parfums und Kosmetik im Wert von insgesamt 10 Millionen Pfund Sterling: Seit dem Verkauf der Lizenzrechte der Burberry-Schönheitsprodukte an die amerikanische Firma Coty wurden die unverkauften Parfums, Cremes oder Schminken eingezogen und verbrannt, damit sie nicht gestohlen oder billiger verkauft werden konnten. Es habe sich um eine aussergewöhnliche Vernichtung gehandelt, weil sämtliche Kosmetiklinien neu entwickelt würden, relativierte der britische Modeplayer, der inzwischen versprochen hat, solche Vernichtungen in Zukunft zu vermeiden.

Diese Machenschaften sind vor allem im Luxus skandalös und den Betroffenen peinlich. Um das Hochpreisimage zu erhalten und Parallelmärkte zu vermeiden, werden Luxusgüter nicht verramscht: Zwar in einem anderen Sektor, jedoch aus dem gleichen Grund wird Louis Vuitton die Verbrennung seiner hochqualitativen, aber unverkauften Handtaschen vorgeworfen. Einige der Angestellten des LVMH-Labels sprechen im Internet von Reportingzentralen, die unverkaufte Modelle entweder auf einen anderen Kontinenten oder Richtung Verbrennungsanlage spedierten. Der Luxuslederhersteller hat nie dazu Stellung bezogen und will es auf Anfrage auch heute nicht tun. Ebenso hüllt sich Richemont in Schweigen, was den Rückzug und die Zerstörung seiner Markenuhren im Werte von 400 Millionen betrifft. Befände sich der Schweizer Konzern in Paris, müsste er nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes, seine unverkauften Uhren hundertprozentig recyceln.

Aufwändiges Recycling

Doch der Mainstream steht nicht besser da. Haben wir uns schon einmal gefragt, was bei der Lancierung neuer Linien passiert, wenn ein Anteil der unzähligen Kosmetik- und Hygieneprodukte ausgedieht hat, die wie eine Armee in Reih und Glied in den Rayons der Supermärkte stehen?  Im Falle eines Flops einer ganzen Palette? Musterüberschüsse, Fehler, defekte Verpackungen und Verfalldaten sind weitere Gründe, warum Millionen dieser Produkte, neu aber unverkauft, auf dem Müll landen. Gewisse, wie etwa Fond-de-Teint, deren Verfalldatum aus gesundheitlichen Gründen absolut eingehalten werden muss, schliesst auch das zukünftige französische Anti-Verschwendungsgesetz aus. Andere kann man nicht oder nur aufwändig wiederverwerten: Man schafft es zwar heute, Tagescremen oder Masken aus ihren Tiegeln zu lösen, um das Glas oder Plastik separat aufzubereiten. Auch einzelne Inhaltsstoffe können wiedergewonnen werden. Doch da ein soziales Bedürfnis besteht, wäre die Umverteilung sinnvoller.

Etwa Procter & Gamble oder Beiersdorf arbeiten eng mit den wenigen, bestehenden Strukturen zusammen. „Für die pflegende Kosmetik und die Hygiene wie Zahnpasten läuft es gut“, doch die  Vermittlung von Schminke sei schwieriger, betont Juliane Kronen in Köln, wo die Gründerin und Geschäftsführerin der Start-Up innatura im grossen Stil Sachspenden für soziale Zwecke vermittelt. Wegen der saisonalen Farbwechsel fallen jedoch gerade im Make-Up-Bereich viele Restposten an. Manchmal profitierten Theatergruppen oder Frauen in Schwierigkeiten davon. Aber schlussendlich gäbe es auch unverkaufte Artikel, ganze Paletten oder einzelne Farbnuancen, die tatsächlich niemand wolle. „Der Mensch verhält sich nicht wie es die Unternehmer planen. Wir werden immer irgendwo Unmengen haben“, meint Kronen fatalistisch. Immerhin entwickelt sich unter den Unternehmern jetzt die Bereitschaft, ihr Business-Modell zu überdenken.

Bild: esther elionore haldimann

 

Design: Alles läuft rund

Das Design der Zukunft will sich rund. Die Möbel werden zu Kugeln und Rollen, die weise Kreise bilden und dem Ego schmeicheln.

Kein Stuhl, kein Regal, kein Lavabo wird den Rundungen entgehen. Das gibt ein angenehm entspanntes Lebensgefühl. Schliesslich gelten Menschen mit feschen Backen als gemütlichere Typen denn die gestressten Dünnen. Ohne die Sinnlichkeit von Kreisen und Bögen, wären unsere zukünftigen Wohnzimmer in Massivholz, Stein und Stahl viel zu kalt oder zu rustikal. „Die Kurven braucht es für mehr Lifeness“, sagt Joseph Vidich , einer der aufsteigenden Designer in den USA, der zusammen mit seiner Kusine Kira de Paola den wie Monde baumelnden Metallplatten petrolblau schimmernde Wolken eingebrannt hat.

Kaum ein Möbel wird einer Rundung entgehen. Mit Spiegeln, Lampen, Teppichen und ganzen Polstergruppen werden weise Kreise angelegt. Das haben die internationalen Designertage und die Möbelmesse M&O  von Paris letzte Woche bewiesen: Kein Spiegel wird mehr rechteckig sein, sondern rund oder mit einem Bogen ergänzt. Diese Kurven zieren einseitig die Regale aus massivem Holz. Als praktische Abstellfläche für Schlüssel oder Handy werden sich auch kleine, runde Marmorplatten eignen, die im Schraubstockprinzip in den Wänden stecken. Diese praktische Idee des italienischen Labels Magis wirkt zwar etwas plump. Die Spitze der Recherche nach Schlichtheit, Sinnlichkeit und Funktionalität erreicht Felicia Arvid Jaeger aus Dänemark mit ihren Sofas, die aus einzelnen Rollen bestehen. Das für verschiedene Tätigkeiten angepasste Tischchen wird einfach zwischen die Rollen gesteckt, die beliebig umgeordnet werden können. Einmal von allen Lehnen befreit, wandelt sich dieses Sofa zum Ruhebett, dessen horizontale Rollen den Körper sofort entspannen.

Kein Wunder werden die Pilates-Kugeln zu Sesseln und Dekor. Der gute alte Lehnsessel, indem man tief versinkt, ist auch zurück, wenn möglich rund und in Samt. PH Collection gestaltet in Belgien ganze Polstergruppen und Wohnlandschaften in Kreisen und Bögen, rund um einen runden Kaffeetisch herum. Das wirkt wie eine dieser über Nacht in die Kornfelder gedroschenen Geometrien, die unerklärlich bleiben. Der als riesiger Kreis gestaltete Kronleuchter des Franzosen Reda Amalou gibt einer solchen Sitzgruppe Theatralik. Die Teppiche werden zu salomonischen Kreisen im Stil von Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“. Es geht also nicht nur um Entspannung, sondern um den Ruf nach strukturiertem Denken, nach Weisheit.

Doch wir besitzen gegenwärtig auch ein starkes Ego, das sich in grossen, glänzenden Stahlkugeln der Lampen spiegelt und uns mit uns selbst auseinander setzt.  Vor dem Schlafengehen wird uns das schicke runde Lavabo eines Mikal Harssen aus schneeweissem Marmor mit uns ins Reine bringen. Die Nachtische werden in farbigem Lack und bauchigen Formen glänzen.  Vasen und Aschenbecher aber auch Taucherflaschen ähneln, was befremdet, jedoch in die Tiefe der Meere, in uns selbst führt. Keine Bange. Um Schwindel zu vermeiden, bleibt das Bett viereckig sowie auch der elementare Esstisch, der als riesiges Rechteck zwischen dem glatten, wuchtigen Küchenblock und der Wohnlandschaft in Wogen für Ordnung sorgt.

Bild: Sofa von Felicia Arvid Jaeger zvg

Paris kämpft gegen das Bienensterben

Mit einem ganzen Heer an Bienenbotschaftern will Frankreich das Bienensterben aus der Welt schaffen. Und Paris besitzt seinen eigenen Honig „Miel Béton“ oder „Miel de Paris“.

copyright: M’O3 Le MIel de Paris.

 

Seit 1995 hat sich die französische Honigproduktion um rund die Hälfte vermindert. Der letzte Winter war besonders hart: 8 von 10 Bienenstöcken haben in gewissen Regionen nicht überlebt, was zu dramatischen Demonstrationen geführt hat, etwa der „Trauerzug“ der Bretonen im Juni:  Bei einigen Imkern dieser Regeion haben nur zwanzig Prozent der Bienen überlebt. Ihre Honigernte war gleich Null.

Die Ursachen sind bekannt, aber komplex und variieren je nach Standort: Parasiten, vor allem die Varroamilbe, Luftverschmutzung, Reduktion der angepflanzten Flächen, Klimaveränderung oder elektromagnetische Strahlen werden in Studien genannt, die auch mehr Professionalismus und Ausbildung der Hobby-Bienenzüchter empfehlen. Denn Bienenstöcke, die auch im Winter gehegt und vorübergehend in andere Gebiete versetzt werden, überleben besser. Jüngst hat eine im Rheintal durchgeführte Studie das Sterberisiko durch Pestizide untermauert. Genau diese stehen für Frankreich im Vordergrund, weshalb dieses Land den giftigen Cocktail dreier Neonicotinoide (Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin), der als Saatgut-Beizmittel eingesetzt wird, ab September verbietet. Diese Substanzen greifen das Nervensystem an. Verwirrt finden die herumsummenden Bienen den Rückweg zum Bienenstock nicht mehr und verenden.

Glücklich in Paris

Solche Probleme haben die in Paris angesiedelten Apis Mellifera nicht. Auf den Dächern der Seinestadt gedeiht die westliche Honigbiene je länger desto besser, wahrscheinlich weil der Einsatz von Pestiziden in der Stadt seit mehreren Jahren verboten ist. „Miel béton“ oder „Miel de Paris“ heissen die goldgelben Töpfe, die in der ganzen Stadt verteilt zum Verkauf angeboten und dank rund 900 Bienenstöcken gewonnen werden. Sie stehen auf den Dächern der Opera Garnier, des Musée d’Orsay, des Grand Palais oder des Luxusrestaurants La Tour d’Argent. Dort fliesst der Pariser Blütenhonig auch in das Gebäck des Küchenchefs. Tausend feine Nuancen besitzt dieser Stadtsaft. Der Geschmack der Auspuffrohre bleibe ihm jedoch fern, meint einer dieser Pariser Dach-Bienenzüchter, Audric de Campeau. „Da die Bienen den reinen Nektar sofort sammeln, kann sich die Luftverschmutzung nicht festsetzen“. Dass er im letzten Winter keine toten Bienen zu beklagen hatte, weist er auf die Absenz der Pestizide zurück und weil er sich rund um die Uhr um die Bienen kümmere.

Der Pariser Imker Audric de Campeau auf einem Dach beim Place de la Concorde copyright: Sebastien Béhotte

zvg Guerlain

Heute übersteigt der Honigkonsum der Franzosen von 40 000 Tonnen pro Jahr bei weitem die einheimische Produktion (15 000 Tonnen). Aber es geht nicht nur um den Honig. Die Luxusparfumindustrie bangt um ihre kostbaren Rohstoffe. Denn wenn die Bienen eines Tages zur Bestäubung von Jasmin-, Rosen- oder Orangenblüten ausbleiben, könnten die für gute Parfums notwendigen natürlichen ätherischen Öle nicht mehr gewonnen werden. „Die Wahrung der Biodiversität ist für uns von höchster Wichtigkeit und der Schutz der Biene die Priorität des Jahres“, betont Sandrine Sommer. Sie ist bei Guerlain für die nachhaltige Entwicklung verantwortlich. Mit dem Projekt „Bee School“ bildet der berühmte Kosmetikkonzern bis 2020 weltweit sein Personal zu „Botschaftern der Biene und der Pflanzenvielfalt“ aus, die anschliessend in den Schulen unterrichten.

Biene als Wahrzeichen

Dem Hause geht es jedoch nicht nur um die unentbehrlichen Rohstoffe, die weltweit eingesammelt werden: Die Biene ist seit 1853 sein Wahrzeichen, als Kaiserin Eugénie im Geschäft an den Champs-Elysees ein neues Eau de Cologne bestellt hatte. Der Flakon dieses vom Firmengründer Pierre-François-Pascal Guerlain entworfenen „Eau de Cologne Impériale“ wurde mit 69 goldenen Bienen geziert – dem Emblem des Kaiserreichs. Auch Guerlains Pflegelinie Abeille royale machte ohne Bienen keinen Sinn mehr. Deshalb kämpft der Parfümeur an der Seite des Observatoire Français d’Apidologie OFA, das 30 000 neue Bienenzüchter ausbilden und 10 Millionen neue Bienenstöcke bis 2025 schaffen will.

Weitere Infos zum Pariser Honig

Audric de Campeaus vernetzten Bienenstöcke in der Schweiz

Erfolgreich und glücklich im Rhythmus der Chronobiologie

Wer seine inneren Uhren kennt und respektiert, ist leistungsfähiger, ausgeglichener und glücklicher.

Stört unser Lebenswandel das regelmässige Ticken unserer inneren Uhren, ernten wir einen Jetlag, schlechten Schlaf oder sogar eine Depression. Laut den Chronobiologen, die unsere biologischen Rhythmen seit hundert Jahren erforschen, laufen diese im Takt von 90 Minuten, 24 Stunden, 30 Tagen und einem Jahr. Tag und Nacht. Hormonproduktion und Körpertemperatur sind die wichtigsten Zeitgeber. Kennt und respektiert man sie, kann Stress abgebaut und die Leistung erhöht werden.

Vor zehn Uhr morgens etwas Druckreifes zu produzieren, entspräche einer geistigen Folter. Denn noch ist nur das Kurzgedächtnis in Fahrt, da sich die Körpertemperatur seit dem Erwachen noch im Ansteigen befindet. Das gleiche gilt für die Kinder. Doch erbarmungslos müssen die meisten ab 8 Uhr die Schulbank drücken. Singen oder spielerische Übungen wären das Richtige für sie, während sich die Morgenstunden im Büro zum lockeren Leeren der Mailbox eignen. Wichtige Antworten sollte man jedoch noch liegen lassen. Lange Sitzungen, Reden und alle Arbeiten, die ein vernetztes Denken verlangen, sind überhaupt vor zehn Uhr zu vermeiden.

Dank dem Anstieg der Körpertemperatur und des Zuckerspiegels im Blut sind wir nämlich erst zwischen zehn und halb zwölf zu Glanzleistungen fähig. Das ist der beste Moment für entscheidende Gespräche oder das Verfassen von komplizierten Dokumenten, denn jetzt spukt das Langzeitgedächtnis die notwendigen Informationen automatisch aus, die dort während den REM-Phasen des Schlafes gespeichert worden sind. Deshalb lohnt es sich auch für Kinder, einen Wortschatz, Gedichte oder eine Lektion am Vorabend kurz vor dem Schlafengehen auswendig zu lernen.

Das Aus nach dem Mittagessen

Da der 90-Minuten-Rhythmus unserer fünf Schlafphasen auch tagsüber weiter tickt, sollte alle eineinhalb Stunden eine Pause eingelegt werden, um effizient zu bleiben. Es reicht, frische Luft zu schnappen, etwas zu trinken oder sich kräftig auszustrecken. Nach dem Mittagessen um 14 Uhr ist es aber mit den Hochleistungen wieder ganz aus. Die Temperatur beginnt zu sinken; der Organismus ist mit der Verdauung beschäftigt. Jetzt sollte man sich die von Ärzten, Psychologen und Chronobiologen empfohlene, kurze Siesta (maximum 30 Minuten) gönnen. Verschiedene Studien haben bewiesen, dass die Leistung und die Kreativität anschliessend besser ansteigt als bei denjenigen, die kein Nickerchen gehalten haben.

Ab 15 Uhr gleiten alle in die nächste Hochphase und leiten prägnante Sitzungen, vertreten brillant ihre Standpunkte oder erbringen die wichtigsten, auch körperlichen Arbeiten des Tages. Kinder sind jetzt, ja mitten im Nachmittag fähig, mathematische Komplikationen oder grammatikalische Spitzfindigkeiten zu bewältigen. Bei sinkender Temperatur ab 16.30 Uhr erfreuen sich viele an zwei kreativen Stunden: Brainstormen, Komponieren oder Planen sind jetzt das Richtige.

Mehr als acht Stunden Arbeit pro Tag bezeichnen die Chronobiologen als ungesund. Wer doch noch abends an ein Event, eine Sitzung oder eine Versammlung muss, sollte unterwegs  in den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Entspannung die Augen schliessen oder den Weg zu Fuss zurücklegen, damit sich der Geist an neuen Impulsen erfreut. Um diesen fit zu halten, sollte man jedesmal einen anderen Weg wählen. Der dadurch notwendige Orientierungssinn regt die Hirnzellen an.

Jugendliche schlafen lassen

Die Kinder müssten um 20 Uhr im Bett liegen, was der Alltag kaum zulässt. Pubertierende Jugendliche hingegen finden oft vor 22 Uhr keinen Schlaf und sollte man eigentlich bis neun Uhr morgens schlafen lassen. Ansonsten haben wir unser individuelles, lebenslanges Schlafbedürfnis in den Genen. Ein reiner Tagesmensch muss um elf ins Bett, um fit zu bleiben. Die Frühaufsteher noch früher; die Nachtvögel etwas später. Zu welcher Gruppe man zählt, lässt sich ebenfalls am Thermometer ablesen: Dasjenige der Lerchen gibt morgens um sieben zwischen 36,8 und 37 Grad an, während es die Nachtmenschen nur auf 36,5 und 36,7 Grad bringen. Je nach dem verschieben sich entsprechend ihre effizientesten Tagesstunden um rund 90 Minuten.

Zudem: Dienstag und Mittwoch sind Hochleistungstage. Am Montag sollten wichtige Termine vermieden werden, denn das Wochenende mit mehr Schlaf oder einem verschobenen Rythmus bringt uns aus dem Gleichgewicht. Einwöchige Ferien sind zu kurz, und auch lange Sommerferien bringen unser Zeitgefühl durcheinaner. Die Chronobiologen geben je zwei Wochen im Herbst und Frühling den Vorrang, damit wir gesund und munter durch den Winter kommen.

Erfinder der modernen Jeans

Das Symbol der Rebellen gipfelt heute im Massentrend mehrerer Generationen. Das stört und ehrt François Girbaud, der Erfinder der modernen Jeans.

Zwei Modelle aus der Kollektion Closed and François Girbaud

Trotz seines Einflusses und seines spitzfindigen Geistes bleibt der Jeansfachmann, was er immer war: Der gute Kumpel von nebenan. Obwohl der Mann mit dem zottigen Bart und dem eifrigen Blick sein Leben lang über den atlantischen Ozean gependelt ist und heute in Los Angeles wohnt, spricht er noch immer im blumigen Akzent aus Frankreichs Südwesten. Dort ist François Girbaud in den 1940er Jahren in Mazamet aufgewachsen, eine Kleinstadt, die sich in der sorgfältigen Entfernung der Wolle von den Schafhäuten profiliert hat. Dort hat er sein erstes Geld als Koffermacher verdient und in einer Rock’n’Roll-Band gespielt. Die Bekleidungsindustrie und der Traum der unbegrenzten Möglichkeiten Amerikas sollten sein ganzes Leben prägen. „Wir sind die letzten Zeugen“, meint er staunend nur einige Wochen nach Johnny Hallydays Tod, mit dem er einst die Jugend geteilt und den er noch vor kurzem in LA besucht hat. Die letzten Zeugen der Babyboomers, meint Girbaud, die sich einst in die Jeans verliebt haben, um sie nie mehr loszulassen. Denn es handelt sich dabei nicht um irgendeine Hose, sondern um ein Kultstück, mit dem der Träger oder die Trägerin verschmilzt. Eine regelrechte zweite Haut, in die man sich in den frühen Seventies zwängte, so hart war der Denim damals noch. Heute feiert das deutsche Label Closed sein vierzigjähriges Bestehen mit einer von François Girbaud entworfenen Sonderkollektion, alles lockere Teile mit Workwear-Einfluss für das moderne Citylife zu Fuss, auf dem Skateboard oder per Rad. Der Übergang ist fliessend: Einst Mit-Erfinder der Stonewashed und des Baggy inspiriert sich der Techniker Girbaud weiterhin an der Strasse. Auch das Label Closed hat er 1978 mit seiner Partnerin Marithé Bachellerie gegründet und später an die heutigen Besitzer in Hamburg verkauft.

Noch immer wollen die beiden über Siebzigjährigen keine Modedesigner, sondern Forscher und Erfinder sein. „Bildhauer“, sagt François Girbaud verkniffen, schliesslich gehe es darum, dem Körper mit der Bekleidung zu schmeicheln, ihm geschwungene Formen einzuverleiben. Immer in Jeans. Denn als Marithé mit ihren selbstgestrickten Ponchos im Saint Tropez der Brigitte Bardot grossen Erfolg hatte, gab es in der ganzen Welt nur drei Jeans: Die Levi’s für Cowboys und Goldjäger,

Jeansfachmann François Girbaud copyright Rahel Koerfgen

die Lee für die Baumwollfelder der Südstaaten und die Wrangler der Rodeos. Bald würde sich die Girbaud dazugesellen. Während François begann, Johnny und die halbe nach swingender Leichtigkeit suchenden Yéyé-Generation zu beraten und einzukleiden, wusch und wusch Marithé ihre Wranglers zuerst in einem kleinen Pariser Waschsalon von Saint- Germain –des- Prés, um sie geschmeidiger zu machen. Während andere  Chlor und Säuren einsetzten, um den bockigen Denim zu bändigen, suchten die Girbauds nach einer ökologischeren Prozedur. Ihre Erfindung „Stonewashed“, das heisst,  sie in riesigen Becken mit Vulkansteinen zu baden, die den Stoff bimsten, schuf zwar die bleichenden Substanzen ab. Doch: „Wir sind damit in ein grosses Fettnäpfchen getreten“, bekennt François. „Wir waren uns den enormen Wasserverschleiss nicht bewusst, sondern wollten einfach das Bürgertum foppen“. Dass man heute Jeans trägt ohne eine Botschaft zu verbreiten, findet er deshalb lächerlich. Sie demonstrierten in Jeans mit Jane Fonda gegen den Krieg im Vietnam oder mit den Punkern gegen die Konsumationsgesellschaft.

Als Tochter eines Radrennfahrers fuhr Marithé fort, eigene Schnitte zu auszuklügeln, um die einstige Hose der Minenarbeiter bequemer zu gestalten. Ihre „Pedal Pusher“ aus dem Jahre 1981 mit verkürztem Knöchel und Verstärkung im Sattelbereich wurde inzwischen dreissig Millionen Mal verkauft. Vor einigen Jahren hat sich François nach Los Angeles zurückgezogen, Marithé blieb in Paris. „Wir telefonieren dennoch täglich“, sagt die 73jährige schelmisch unter ihrer langen Stirnfranse hervor. Zu reden gibt es viel, denn er hält nicht inne, um die Denimindustrie ohne Wasserverbrauch und unter fairen Bedingungen in Bangladesch, Pakistan oder Mexiko anzukurbeln.  Nachdem die beiden in den Nullerjahren den Laser zum Bleichen und Strukturieren der Jeans eingesetzt haben, um Wasser zu sparen, tüftelt François weiter mit Sauerstoff und Zellulose. „Denn die Bio-Baumwolle macht nur einen schwindenden Prozentsatz der gesamten Baumwollproduktion aus, die extrem umweltbelastend ist“. Der Jeanserfinder mit der Kinderseele, der sich bei der Arbeit vergnügt, hält bereits stolz einen neuen Jeansstoff in der Hand und drängt, ihn zu berühren:  Ein geschmeidiger Stretchdenim, in den er den dehnbaren Faden vertikal und nicht horizontal einweben lässt. „Für einen besseren Sitzkomfort dank einem elastischen Knie“.

 

Paris ist im Winter eine Reise Wert

Nie strahlt die Seinestadt so märchenhaft wie im Winter. Hier ein paar Insider-Tipps für einen magischen Aufenthalt.

Von anfangs Dezember bis Ende Januar strahlt Paris in einem berauschenden Lichtermeer, das die romantischste Stadt der Welt noch sinnlicher macht. Jedes Quartier schmückt seine Strassen, Gassen und Rathäuser im lieblich-kitschigen Weihnachtszauber der Fünfziger Jahre. Ein blauer Glitzerregen fällt auf den Boulevard Haussmann, wo zarte Klänge vor den grossen Warenhäusern ertönen. Vor deren Schaufenster staunen die Kinder dicht gedrängt mit glühenden Wangen, denn hinter … Lire la suite

Rosen für ihn

Berauschend und betörend darf der Mann wie ein Blumenstrauss riechen. Die Trendparfums der Männer dieses Sommers stehen für Sensibilität und Einfühlungsvermögen. Neu ist die Idee allerdings nicht.

Kurz nach dem Druck auf den Zerstäuber breitet sich nur eine würzige, typisch männliche Frische aus. Doch dann entfaltet Man Rose plötzlich einen derart starken Blütenduft, als steckte man seine Nase in einen Blumenstrauss. Schwere Rosendüfte sind der grosse Männerschrei, berauschend, betörend. „Unglaublich“, meint die französische Parfumhistorikerin, Philosophin und Anthropologin Annick Le Guerrer. Als weibliches Symbol der keuschen Jungfrau wiederspiegle die Rose im Männerduft neue Gesellschaftswerte. „Die 30jährigen Männer stehen heute zu ihrer Sensibilität und ihren weiblichen Zügen weit entfernt des alten Images der Machos in Kriegsstiefeln“. Frankreichs frischgewählter Präsident Emmanuel Macron ist ein prächtiges Exempel eines solch … Lire la suite

Fittness-Insel Oléron

Auf Frankreichs grösster Atlantikinsel braucht man kein Auto. Ein 150 Kilometer langes Radwegenetz erlaubt freie Fahrt durch Wälder und Felder, entlang der Sandstrände und der Salzkanäle. Kultur, Kulinarik und ausgefallene Sportarten lassen sich am Wegesrand entdecken.

 

Als Nachbarin der noblen, romantischen Ile de Ré gilt die Oléron-Insel als die Wilde, die Aktive. Das steht ihr gut. Viele Lebenskünstler, aber auch regelrechte Künstler leben zwischen den alten, bunten Fischerhütten, die heute als Ateliers dienen. Nicht nur Yves Saint Laurents einstiger Lebens- und Geschäftspartner Pierre Bergé stammt aus Oléron. Zahlreiche Landwirte, Weinbauern, Handwerker und 300 Fischer bewohnen heute das 171 km2 grosse Eiland gegenüber La Rochelle und Rochefort im atlantischen Ozean. Obwohl Frankreichs zweitlängste, älteste Strassenbrücke vom Festland Aquitaniens hinüber führt, braucht man kein Auto auf der… Lire la suite

Leidenschaftlich

Steine begeistern sie seit der Kindheit. Sauerstoffhaltiges Eisen brachten sie auf die Schliche völlig neuer Materialien: Als eine der weltweit einflussreichsten Forscherinnen der Multiferroika, wurde die Britin Nicola Spaldin in Paris mit dem L’Oréal-UNESCO-Preis Women in Science ausgezeichnet.

Nur sehr selten weist ein natürliches Material gleichzeitig elektrische und magnetische Eigenschaften auf. „Man findet sie in Sauerstoff haltigen Eisen, vor allem in Mangan“, erklärt Nicola Spaldin in einem Pariser Hotel, wo die Materialforscherin der ETH Zürich (CH) ihre Interviewpartner im Halbstundentakt mit prüfendem Blick empfängt. Die gebürtige Britin wurde Ende März in der Seinestadt als herausragendste Wissenschaftlerin Europas mit dem L’Oréal-UNESCO-Preis For Women in Science ausgezeichnet, weil sie die … Lire la suite

Kleider machen mehr als Leute

Ein Hemd registriert, wieviel jemand trinkt. Eine Brille erkennt, was man isst. Smarte Textilien und Accessoires könnten bald zu unseren ständigen Wächtern werden.

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Ersetzen die  Menschen bald ihre „dummen“ Kleider durch eine breite Palette an smarten Textilien? Vergisst man im Alltagsstress zu trinken, warnt ein smartes Hemd vor Dehydration.  Ein Brillengestell ist sogar fähig, die verschlungenen Nahrungsmittel zu erkennen. Bis anhin ist in intelligente Kleider und Accessoires vor allem die Technologie der Smartphones und –watches geflossen. Sie beschränkt sich aber fast ausschliesslich auf die Aufnahme und Auswertung des Standortes und der Fortbewegung. Ausserdem wird die Anzahl der Schritte oder zurückgelegten Distanzen nur selten langzeitig im Alltagsleben aufgezeichnet. Bald aber kann unsere Kleidung mehr. Viel mehr. Sie wird… Lire la suite